Muttermilch und Milchbildung

Aus was besteht Muttermilch? – Zusammensetzung und Inhaltsstoffe


Dass und wie menschliche Mütter ihre Baby stillen, ist das Ergebnis von jahrtausendelanger Evolution. Der gesamte Prozess ist ideal auf die Bedürfnisse von Mutter und Kind abgestimmt und ermöglicht für beide eine möglichst hohe Überlebenschance – also einen möglichst guten Start ins gemeinsame Leben. Schon in der Schwangerschaft beginnt der Prozess der Milchbildung und ab dem ersten Stillen passt sich die Muttermilch dynamisch und perfekt an den Säugling an – sowohl in der Menge, als auch in der Zusammensetzung. Muttermilch ist deshalb die beste Nahrung für Dein Kind. Doch woraus besteht Muttermilch eigentlich? Und wie wird sie im Körper gebildet?

Woraus besteht Muttermilch?

Mütter, die nicht stillen wollen oder können, haben in unserer modernen Welt eine praktische Alternative: Milchpulver. Die Bezeichungen PRE Milch und Folgemilch mit verschiedenen Ziffern, suggerieren, dass auch diese sich irgendwie an das Alter und die Bedürfnisse des Babys anpassen. Doch auch wenn die Flaschenmilch den Nährstoff- und Kalorienbedarf der Babys deckt, ist ihre Zusammensetzung doch ganz anders als die der Muttermilch.

Nur im Verhältnis von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß ähnelt die PRE-Nahrung sehr stark der Muttermilch. Auch Vitamine und Eisen können zugesetzt werden. Viele weitere Betandteile wie Zellen des Immunsystems, Immunglobuline, Aminosäuren, mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Antioxidantien und viele weitere Stoffe allerdings nicht. Folgemilch hat im Gegensatz zur Pre-Milch sehr viel mehr Kohlenhydrate (Stärke), sodass sie länger sättigt. Sie ist daher im Preis günstiger, hat ansonsten aber keine Vorteile und sollte nicht gefüttert werden.

Zusammensetzung Muttermilch:

1. Kohlenhydrate in Form von Milchzucker (Laktose), davon 10% in Form von über 130 verschiedenen Oligosacchariden. Diese speziellen Zuckerstoffe helfen bei der Gehirnentwicklung und beim Aufbau eines komplexen Infektionsschutzsystems mit Hilfe der Darmflora. Denn im Gegensatz zu den Kohlenhydraten aus der Ersatzmilch besteht die Muttermilch zu einem großen Bestandteil aus komplexen Kohlenhydraten. Diese können vom Verdauungssystem eines Menschen nicht verwertet werden. Sie erreichen somit den Dickdarm und dienen dort als „Futter“ für nützliche Darmbakterien. Sie können diese Kohlenhydrate aufsplitten und daraus Energie gewinnen.
Zwar könnte man diese komplexen chemischen Strukturen zwar für Pre-Milch synthetisieren, das wäre allerdings viel zu teuer.


2. Fette: hoher Gehalt an sehr langkettigen, ungesättigten Fettsäuren, besonders wertvoll für Gehirnentwicklung.

3. Eiweiß bestehend aus vielen essenziellen Aminosäuren in leicht verdaulicher Form. Aber nicht alle sind zum Abbau gedacht, ein guter Teil sind auch Immunglobuline und Antikörper. Auch Laktoferrin ist darunter, dadurch kann Eisen aus der Beikost zu mehr als 50% aufgenommen werden, im Gegensatz zu 10% bei Flaschenmilch; Wachstumsfaktoren und Hormone, Lysozyme, die Bakterien bekämpfen.

4. Leukozyten (weiße Blutkörperchen) sind Abwehrzellen die teils direkt Bakterien bekämpfen, teils auch eine Gedächtnisfunktion erfüllen und damit ein eigenes Immunsystem ausbilden.

Warum ist Muttermilch so gesund?

Muttermilch passt sich an

Stillen stellt sicher, dass Babys Organe immer optimal mit den benötigten Nährstoffen versorgt sind, denn die Zusammensetzung der Muttermilch passt sich dynamisch den Bedürfnissen des Babys an. Das ist wichtig, weil ein Baby so schnell wächst. Sogar über den Tag verteilt verändert sich z.B. der Fettgehalt der Milch (3% morgens, 8% abends).

Sogar während des Stillens passt sich die Brust den Notwendigkeiten an. In den ersten Minuten des Stillens ist  der Flüssigkeitsgehalt der Milch sehr hoch, erst später kommt die fettreiche, sättigende Milch. Darum brauchen voll gestillte Babys auch keine zusätzliche Flüssigkeit. Wenn sie Durst haben, können sie angelegt werden und an der Brust ihren Durst stillen.

Muttermilch schützt gegen Krankheiten

Auch auf eventuelle Krankheitserreger stellt sich die Muttermilch ein und liefert immer passende Antikörper. Sogar langfristig stärkt Stillen das Immunsystem des Kindes: Je länger ein Kind gestillt wird, desto stärker wird die sogenannte Thymusdrüse, verantwortlich für ein Hormon zur Ausbildung der Immunzellen in den Lymphknoten, gestärkt.

Muttermilch stärkt die Darmflora

Maßgeblich für unsere Gesundheit, das wird immer klarer, ist langfristig unsere Darmflora. Muttermilch stärkt den gesunden Aufbau des kindlichen Darms nicht nur durch die oben genannten komplexen Kohlenhydrate, von denen sich die Darmbakterien ernähren. Mit jedem Mal Stillen werden auch lebendige Darmkeime übertragen. Ein gesunder Darm hilft Menschen langfristig, sich vor Zivilisationskrankheiten im Alter, vor Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu schützen.

Wie entsteht Muttermilch in der Brust?

Was ist das Kolostrum?

Die erste Milch, die nach der Geburt aus der Brust kommt, nennt man Kolostrum oder Vormilch. Sie ist schon viele Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin verfügbar – für den Fall, dass ein Baby zu früh zur Welt kommt. Deshalb verändern sich auch die Brüste schon während der Schwangerschaft – sie bereiten sich auf das erste Mal Stillen vor und halten Vormilch bereit.

Diesen wertvollen Cocktail aus Immunstoffen, Wachstums- und Heilungsstoffen sowie wichtigen Darmbakterien sollte nach Möglichkeit jedes Baby bekommen, auch wenn es später nicht weiter gestillt wird. Die Immunglobuline (IgA) aus dem Kolostrum bildet im Magen-Darm-Trakt einen antiseptischen Film, der künftig vor Erregern, Nahrungsmittelsensibilität und Allergien schützt.

Häufig machen sich frischgebackene Mütter Sorgen, weil die Menge des Kolostrums sehr gering ist. Jedoch passt diese genau zum unreifen Magen eines Neugeborenen, der in den ersten Tagen nur sehr kleine Mengen (etwa einen Teelöffel) verdauen kann. Dass ein Baby in den ersten Lebenstagen Gewicht verliert, ist daher ganz normal und stellt keinerlei Gefahr dar. Das Kolostrum ist reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und enthält doppelt so viel Kalorien wie die spätere Muttermilch.

>> Lies hier über die Gewichtsentwicklung eines Säuglings im ersten Lebensjahr. 

Milcheinschuss

Zwischen dem zweiten und sechsten Tag nach der Geburt schießt dann die Milch ein, das heißt der Körper bildet echte Muttermilch statt des Kolostrums. Beim Stillen nach Kaiserschnitt oder anderen Notfallsituationen, vor allem wenn Mutter und Kind nicht von Anfang an rund um die Uhr beisammen sind, kommt die Milch etwas später als sonst. Die Brust stellt vom Kolostrum um auf die „normale“ Muttermilch, diese Umstellung dauert bis zu zwei Wochen. Die Brust wird prall und groß, spannt meistens.

Manchmal kommt es vor, dass in den ersten Tagen oder auch später noch zu viel Milch gebildet wird. Dann fällt es dem Baby schwer, die pralle Brustwarze anzusaugen und die Milch fließt schneller, als das Baby schlucken kann. Man kann die Milchbildung etwas drosseln, indem man nach dem Stillen kalte Kompressen auflegt. Vor dem Stillen kann man etwas Milch ausstreichen, z.B. unter der Dusche oder ins Waschbecken, sodass das Baby besser zurecht kommt. Mit der Zeit pegelt sich die Milchmenge normalerweise gut auf den Bedarf des Stillkindes ein. Dann geht auch die Größe der Brust zurück.

>> Im Artikel „Milchbildung reduzieren“ kannst Du lesen, was Du langfristig tun kannst, wenn Du zu viel Milch hast. 

Wer Angst hat, zu wenig Milch zu haben, der sollte möglichst häufig stillen, am besten nach Bedarf. Das bedeutet, dass man das Baby immer anlegt, wenn es Hunger signalisiert. Dass ein Baby an die Brust möchte, erkennt man nicht erst dadurch, dass es weint. Meist wird es vorher unruhig und sucht mit seinem Mund nach der Brustwarze, wenn es mit dem Gesicht Haut berührt.

>> Lies hier, was Du tun kannst, um die Milchbildung zu steigern. 

In der Zeit des Milcheinschusses wie auch in der folgenden Stillzeit sollte man sich bewusst sein, dass die Milchbildung zusätzliche Energie von der Mutter abverlangt. D.h. sie hat häufiger Hunger und braucht mehr Schlaf bzw. Ruhe.

Milchbildung und Stillen

Das Hormon Prolaktin sorgt dafür, dass in den einzelnen Milchbläschen der Brust Milch gebildet wird. Wenn das Baby nun anfängt, zu trinken, aktiviert das Hormon Oxytozin den Milchflussreflex, den viele Frauen als drückendes oder ziehendes Gefühl spüren. Die Zellen in den Milchbläschen nehmen alle nötigen Stoffe für die Milchbildung aus dem Blutkreislauf der Mutter.

Es wird immer so viel Milch produziert, wie getrunken wird, das heißt je mehr Milch der Brust entnommen wird – egal, ob getrunken, abgepumpt oder ausgestrichen, umso mehr Milch wird produziert. Deshalb kann der weibliche Körper auch problemlos genug Milch für das Stillen von Zwillingen oder Drillingen produzieren. Allerdings dauert es immer ca. 48 Stunden, bis sich die Milchbildung nach oben oder unten reguliert, wenn plötzlich mehr Milch, wie bei einem Wachstumsschub, oder weniger Milch, wie beim Abstillen, benötigt wird.

Stillhormone

Prolaktin ist das Hormon, das für die Milchbildung zuständig ist. Zusätzlich stärkt es auch den Mutterinstinkt, sorgt dafür, dass eine Mutter die Bedürfnisse ihres Neugeborenen schnell wahrnimmt, auch im Schlaf.

Oxytozin ist das „Bindungshormon“. Es wir z.B. auch beim weiblichen Orgasmus ausgeschüttet.

Quellen: 

  • Lothrop, Hannah: Das Stillbuch. München: Kösel, 2008.
  • Weigert, Vivan: Stillen. München: Kösel 2010.
  • Linden, Dr. med. Wilhelm zur: Geburt und Kindheit. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 1998
  • Sonnenburg, Erica und Justin: Der gute Darm. München: Südwest-Verlag, 2016.